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Da Papa kommt

Mia die Feder > Viel passiert

1947 Der Papa kommt...

Zurzeit kehren immer noch viele Kriegsgefangene aus Russland in die Heimat zurück. Mama hofft jeden Tag, dass der Papa bei einem der Transporte mit Spätheimkehrern dabei ist.
Tatsächlich, eines Tages ist es soweit.
Ich komme mittags von der Schule heim, unterwegs  überlege ich, was Mama denn heute Gutes gekocht hat. Bohnengemüse wäre gut, oder auch Stemperl mit Apfelkompott. Naja, ich werds ja gleich wissen.
Mama steht mit einem Lächeln im Gesicht an der Haustüre. Mama und lächeln? Da hat sich doch irgendetwas ereignet!
Und wirklich, sie flüstert mir zu: "Der Papa is do."
Mir fällt die Schultasche fast aus der Hand, ich stelle sie in dem kleinen Vorplatz hin. Da liegt erst mal ein Bündel von zerlumpter Kleidung und ein Rucksack.
Schon bin ich im Zimmer. Und was sehe ich?
Ein mir unbekannter älterer Mann, der nur noch wenige Haare hat, liegt schlafend im Bett. Ich starre ihn unverwandt an. Das gibt es nicht! Das kann doch nicht der Papa sein! Wahrscheinlich spürt er meinen bohrenden Blick und er öffnet die Augen. Ein breites Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. Er setzt sich auf, zieht mich an sich:
"Ja mei Kloane bist du groß wordn!"  
Jetzt erkenn ich seine Stimme wieder. Ja, das ist er doch, der Papa. Ich falle ihm um den Hals und bin glücklich! In diesen Moment gibt es drei glückliche Menschen: Mama, Papa und mich. Wir werden nun immer glücklich sein!
Mama erzählt nun, der Papa ist schon in der Früh gekommen. Sie hat ihm gleich Frühstück hergerichtet, Wasser für ein Bad heiß gemacht und ihm saubere Wäsche gegeben, die sie schon länger bereit gelegt hat.
Unsere gegenseitigen Fragen und Antworten überschlagen sich, bis Mama meint, jetzt essen wir erst mal. Wir haben doch jetzt soviel Zeit um uns alles genau erzählen zu können.
Papa schaut aber wirklich anders aus, als er in meiner Erinnerung ist. Ich habe immer gehört, in der Gefangenschaft gab es wenig zu essen. Aber der Papa hat einen runden Bauch und ganz dicke Beine.
"Des is ois (alles) Wasser", meint Mama " des geht ois wieder weg."
Lachend erzählt Papa, dass er mir gerne etwas Schönes mitgebracht hätte, aber er hat nichts bekommen.
Sein Rucksack ist voll mit lauter Fläschchen mit Birkenhaarwasser.
Das ist das Einzige, was er für seine Rubel zur Entlassung bekommen hat. Außerdem hat er etliche Schachteln mit Chinintabletten. Er hat sich in den Sommermonaten in Sibirien die Malaria geholt. Die kommt immer wieder zurück.
Am Nachmittag ist natürlich die ganze Familie versammelt. Alle freuen sich. Von seiner Zeit im Krieg und in der Gefangenschaft erzählt der Papa wenig. Eigentlich nur, dass er mit anderen Gefangenen an der Wolga Holz fällen musste.
Jetzt, am ersten Tag zuhause redet er nicht weiter darüber und auch nicht in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten.
Nein, er will  überhaupt nicht mehr darüber reden! Die Zeit liegt hinter ihn.  Er hat überlebt und er will nur vorwärts schauen.


Wirklich! Wir sind alle glücklich!

Papa ist 41 Jahre alt, er fühlt sich gut und als guter Maurer, der er war und der er auch immer noch ist, wird er bald Arbeit haben.
Mama freut sich, dass wieder ein Mann im Haus ist und dass es wieder einen "Ernährer" gibt und sie auch die schwere Männerarbeit nicht mehr allein verrichten muss. Außerdem hat man ihr doch eine größere Wohnung in Aussicht gestellt. Auch darauf freut sie sich.
Mutti mit ihren Buben hat einen lieben Mann und  ist zufrieden. Dieser wird bestimmt bald ein Beamter werden. Da ist sie jetzt schon stolz darauf.
Tante ist ebenso froh, dass der Papa wieder da ist und sie dadurch Auch von ihren Sorgen um Mama etwas entlastet wird. Dadurch hat sie mehr Zeit, um Zitherunterricht zu erteilen. So kann auch sie ihre Finanzen auch verbessern. Einen Mann will sie zurzeit sowieso nicht.
Beate will keinen neuen Papa. Sie ist froh, dass sie ihre Mutti alleine für sich hat. Sie wird bald anfangen, das Zitherspielen zu lernen und mal sehr bekannt und berühmt werden.
Und ich?
Mir geht es besonders gut!
In den letzten Jahren habe ich immer im Schatten gelebt und eine dunkle Brille auf gehabt. Durch diese schaut das Leben nur dunkel aus.
Aber jetzt ziehe ich aus meiner Seelenfalte meine rosa Brille hervor. Die Schatten werden verschwinden. Papa wird Geld verdienen. Es wird uns bestens gehen.
Ich bin  jetzt in der dritten Klasse und gehöre zu den Kommunionkindern. Dies wird am Weißen Sonntag im nächsten Jahr ein großes Fest werden. Außerdem lerne ich fleißig und werde mal eine Ballerina oder etwas Besonderes werden. Eines Tages wird ein Prinz oder zumindest ein ganz feiner und schöner Mann kommen
und mich heiraten.

Wir alle lassen die dunklen Wolken hinter uns. Die Gewitter in unserer aller Leben sind vorbei. Wir hören zwar noch den Donner grollen, aber ein wunderschöner Regenbogen kündet uns ein schönes Leben an.

Ich drücke die rosa Brille fest auf meine Nase. Es gibt nur noch rosa Wolken. Auf der schönsten sitze ich und wir alle segeln einer rosaroten Zukunft entgegen...

Aus, Äpfel, Amen!








 
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