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die Amerikaner kommen

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…die Amerikaner kommen

Es ist ein sonnigen Vormittag in den letzten Apriltagen 1945, da heißt es: "Die Ami kommen!!"
Die Leute stehen auf den Dorfstraßen, andere verstecken sich.  Man weiß nicht so recht, was man glauben und wie man sich verhalten soll.
Soll man nun erleichtert sein oder wird es noch schlimmer kommen? Angst und Erwartung steht in den Gesichtern. Da hört man in der Ferne ein dumpfes Rollen, Grollen  und Donnern. Angeblich kommen die Amis über die Kriegsstraße (heute Wettstettener Straße) angefahren.
Die Leute werden aufgefordert, dass sie ihre Häuser verlassen, weiße Taschentücher nehmen und den Amis zuwinken. Zunächst wollen die Lentinger keine weiße Fahne auf dem Kirchturm hießen.
Es heißt, angeblich will das Fräulein Koziel nicht, doch später, als die Panzer schon anrollen, ergreift sie dann doch die Initiative und steigt die Wendeltreppe zum Kirchturm hinauf. Kurz darauf taucht aus dem Turmfenster eine Fahnenstange auf; daran ist ein weißes Bettlacken befestigt, zum Zeichen, dass wir uns ohne Waffen ergeben.
Mama, Mutti und Tante drücken uns Kindern weiße Taschentücher in die Hände. Wir begeben uns zum Brunnen beim Hennamo Hof.
Auf dem Platz hat sich schon eine größere Menschenmenge versammelt. Von hier aus hat man einen freien Blick zur Kriegsstraße. Das Donnerrollen kommt drohend näher! Nun sieht man erst Jeeps und Militärfahrzeuge und dann Panzer, die alles erbeben lassen. Deren Kanonenrohre sind Furcht erregend auf uns gerichtet. Während die ersten Fahrzeuge schon ins Dorf einziehen, ist ein Ende des Konvoi auf der Kriegsstraße noch nicht zu erkennen.

Die Kinder weinen und hängen sich voller Angst an die Rockzipfel ihrer Mütter. Wir winken fleißig, damit die Ami ja sehen, wie sehr wir uns freuen. Plötzlich pfeift ein Schuss über meinen Kopf an Mamas Schulter vorbei, schlägt in die Mauer vom Hennamo-Hof ein. Von wem der Schuss kommt, weiß man nicht,
aber er fällt. Die Einschlagstelle ist deutlich zu sehen.
Mama ist kreidebleich. Jetzt hat sie genug. Sie redet kurz mit Mutti und Tante, packt mich an der Hand. "Geh, mir genga iatz. Mir langt des!" Wir verlassen die Gruppe, Mutti, Tante und die Kinder tun das Gleiche.
Wir sind froh, als wir in der Wohnung ankommen. Ich würde am liebsten in den Keller gehen, dort fühle ich mich am besten, auch wenn ich alleine unten sitze.
Im ganzen Dorf herrscht Unruhe, aber sonst passiert nichts. Die Jeeps fahren erstmal suchend durch das Dorf. Ein Fahrzeug hält direkt vor dem Gockelbauer Austragshäusl, in dem Mutti wohnt. Zwei US-Soldaten steigen aus, schauen Richtung Ingolstadt, während sie gestikulieren und sich laut unterhalten.

Leider können wir überhaupt nichts verstehen. Hinter dem Vorhang im Zimmer in Sicherheit, wage auch ich einen Blick auf  diese Menschen. Ich schrecke zurück.
Einer ist schwarz. Dazu hat er einen ganz großen  Mund und beim Reden zeigt er zwei Reihen blendend weißer Zähne. Die Amis steigen wieder ein und fahren weg. Kurz darauf ist lautes Motorengeräusch zu hören. Ein Geschütz mit einem langen, Angst  erregendem Kanonenrohr fährt vor. Zwei Amis sind damit beschäftigt, das Rohr so zu postieren, dass es genau nach Ingolstadt zielt. Mutti und Mama meinen, Ingolstadt hat wahrscheinlich noch nicht aufgegeben.

Die Soldaten machen uns mit Gesten verständlich, dass wir das Haus verlassen sollen. Wahrscheinlich denken sie, dass es beim ersten Schuss zusammenfällt.
Mutti, Tante und Mama nehmen die vier Kinder und gehen in den Hof. Kaum sind wir draußen, hört man auch schon Kanonenschüsse. Ich will sofort wieder in den Keller. Ich habe Angst, dass das Häuschen gleich einfällt, weil es klirrt und scheppert. Doch später hört die Schießerei auf, wir dürfen wieder
hinein. Zwar steht die Bude noch, aber die Hauswand hat von oben bis unten einen Riss; die Fensterscheibe oben vom Kammerl ist zersplittert.
Die kaputte Scheibe wird einige Tage später durch Pappe ersetzt. So muss diese die nächsten Jahre halten. Naja, das werden wir auch noch verkraften.

 
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