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De erste Zeit

Mia die Feder > I bin da

1939 ich, ich, ich, ich....

Obwohl in der Öffentlichkeit von einem eventuellen Krieg, den Hitler angeblich will, gemunkelt wird, bin ich ein "Friedenskind".
Die Zeiten sind unruhig, aber bestimmen tut nur einer und zwar Hitler mit seinem Regime. Österreich  ist schon im Vorjahr ins Reich heimgekehrt, außerdem haben die Sudetenlande den Anschluss an das Reich gefunden.
Was will Hitler also noch? Er will das Beste für Deutschland!
Alle sind davon überzeugt! Es ist kaum zwanzig Jahre her, dass der furchtbare erste Weltkrieg, an dessen Folgen die ganze Welt immer noch leidet, zu Ende ging.
Das weiß Hitler doch! Da wird er uns sicher nicht in einen neuen Krieg stürzen.

Ich bei den Hallers

Ich jedenfalls mache mir wegen einem Krieg noch keine Gedanken, sondern liege zufrieden in meinem Bettchen im Babyzimmer der Frauenklinik.
Meine Geburt hat zwar nicht gerade Begeisterung ausgelöst, mein kümmerliches Aussehen hat diese auch noch geschwächt, aber ich habe Glück; man behält mich. "Werd schon sehen, was das Leben mit mir vor hat,"  denke ich.
Zum Stillen bringt mich eine Schwester zu meiner Mutti. Die kurze Zeit, die ich da bei ihr bin, ist sie lieb und sanft zu mir. Sie lächelt auf mich herab, schmunzelt über den gelbroten, dünnen Flaum auf meinem Kopf und nennt mich "Federn".
Frau Haller war auch schon da. Sie übernimmt es, die Angehörigen von meiner Ankunft zu unterrichten.
Mama, (meine Oma) fragt an, wie ich denn heißen soll. Sie hätte gerne eine Eva-Maria. Aber Tante, Muttis Schwester, welche als meine Taufpatin nominiert ist, wehrt sich dagegen.

"Ich bin die Patin und das Kind wird natürlich nach mir benannt. Wenn  ihr wollt, fügen wir halt noch euren Namen dazu. Maria Theresia hört sich doch schön an."

Dabei bleibt es. Frau Haller fungiert auch als Vizepatin und trägt mich am dritten Tag nach der Geburt zur
Taufe. Die Befreiung von der Erbsünde sowie die Aufnahme in die katholische Kirche geht schnell von statten.
Einige Tage später kann Mutti die Klinik verlassen und ins Haus Haller zurückkehren. Ich soll noch eine Woche in der Klinik bleiben.
Leider kann  mich Mutti nicht stillen, ihre Brüste haben sich entzündet. So muss die Muttermilch täglich unter Schmerzen abgepumpt und zu mir in die Klinik gebracht werden.
Als das auch nicht mehr geht, werde ich mit Maizenabrei und Milch aufgepäppelt. Da sieht man, dass Leben meint es von Anfang an nicht gut mit mir; es vergönnt mir nicht mal die Muttermilch. In der Klinik ist man mit meiner Entwicklung zufrieden.
Die Woche geht schnell vorbei, Mutti holt mich ab. Frau Haller hat ihr alles mitgegeben, damit ich meine erste Aus- und Heimfahrt unbeschadet überstehen kann.
Mutti legt mich nochmals trocken und damit jedermann weiß, dass ich ein Mädchen bin, zieht sie mir eine rosa Ausfuhrgarnitur an. Dann legt sie mich in den schön ausgestatteten, ganz modernen Korbkinderwagen, der den Hallers gehört, und deckt mich zu.
Meine erste Fahrt macht mich froh. Das Wetter ist mild, ich genieße es, durch die Straßen geschoben zu werden. Auch die Ankunft bei den Hallers gefällt mir, denn ich bin davon überzeugt, dass ich hier eine wunderschöne Babyzeit verleben kann.

Aber da habe ich mich schwer verrechnet.
Ich muss es hinnehmen, dass ich hier nicht an erster Stelle der Interessen stehe. Die Hallers sind sehr nett, aber Mutti ist  nicht zu ihrem Privatvergnügen hier.  Sie ist angestellt, wird für ihre Arbeit bezahlt, und muss trotz aller Großzügigkeit der Familie Haller etwas leisten.
Die Hallers haben ja die kleine Tochter Annette, für die Mutti zuständig ist. Auch sonst fällt noch eine Menge Arbeit an, die von ihr erledigt werden muss. Ich werde bestens versorgt und gefüttert, aber dann  meist  in den Stubenwagen gelegt  und  zur Seite gestellt.

Ich will aber Zuwendung!
Am Abend ist Mutti meist müde. Wenn ich dann in der Nacht meinen Ärger hinaus schreie, wird sie grantig.
Sowieso muss sie jede Nacht einmal heraus um mich zu  füttern und trocken zu legen. Aber für den Rest der Nacht braucht sie ihre Ruhe, denn am nächsten Morgen muss sie früh aufstehen. Da passt ein plärrendes Baby einfach nicht dazu.
Ich merke, dass ich so Muttis Liebe nicht für mich gewinnen kann. Darum ziehe ich es vor, mich ganz unauffällig zu verhalten und brav  zu sein, Daran halte ich mich in den nächsten Monaten. Recht gefragt bin ich in dieser Zeit bei niemanden.
Mein Vater hat zwar der Mutti einen kurzen Brief geschrieben, in dem er ihr mitgeteilt, er komme, sobald er Urlaub haben würde. Das war es! Die Füchsin ist auch nicht aufgetaucht. Warum soll sie? Es gibt ja nichts zu holen! Ganz im Gegenteil, sie müsste ein kleines Geschenk mitbringen!
Nein, so wichtig ist ihre erste Enkelin nicht!

Ich bekomme Besuch

Nur in Lenting überlegen Mama und Tante, jetzt dringend nach Heidelberg zu fahren, um mich endlich zu sehen. Mutti teilt ihnen mit, dass sie dies mit den Hallers besprochen hat. Wenn sie kommen, können sie bei den Hallers übernachten.
Mama beredet dies mit Hans, der in der letzten Zeit zwar kein Engel, aber doch etwas umgänglicher geworden ist. Ja, das stimmt!
Zwar hat er noch zwischendurch Affären oder er trinkt mal über den Durst und sucht dann Streit. Aber Theres vermeidet alles, was eine Auseinandersetzung fördern könnte. Sie lässt sich nicht mehr so leicht provozieren und vermeidet Äußerungen, die Hans auf die Palme bringen könnten.
Wenn ein Wortwechsel mal wirklich ausufern will, beendet sie weitere Diskussionen mit den Worten: "Hinter meinem Kasten".
Jetzt geht es um die Fahrt nach Heidelberg. Hans überlegt hin und her und meint dann:
"Theres weißt du was, bring das Mädchen doch einfach mit. Hier gehört es doch her,  hier ist es zuhause.
Thea kommt bestimmt auch mal wieder heim. Falls wirklich ein Krieg kommt, dann sind wir hier alle beisammen. Fritz ist doch auch hier in der  Nähe stationiert. Vielleicht heiraten beide bald."

Theres hat alles erwartet, aber nicht diese Reaktion. Es stimmt schon, man kann die Kleine ja nicht ewig im Stubenwagen auf die Seite stellen. Was soll erst werden, wenn sie mal das Krabbeln und später das Laufen anfängt?
Schon einige Tage später sitzen Mama und Tante im Zug nach Heidelberg. Es ist Juni und die Fahrt durch die blühende, grüne  Landschaft macht ihnen viel Spaß. Außerdem haben sie viel Zeit, um sich ausgiebig zu unterhalten.
Tante schwärmt ihrer Mutter von ihrer großen Liebe vor. Wenn das Herz voll ist, läuft der Mund über.
Ja, Tante ist verliebt! Und wie!
Er heißt Ludwig, vierundzwanzig Jahre alt und schaut gut aus. Er kommt aus Rosenheim, jetzt ist er in Ingolstadt stationiert.
Später will er mal seine Meisterprüfung machen, um einen eigenen Salon führen zu können. Er hat in Rosenheim noch einen Bruder und zwei Schwestern. Laut Ludwig gelten diese als etwas exzentrisch, dazu meint er, "dies sind halt die spinnerten Ablingers."

Er will die Tante sogar heiraten. Da er aber in seiner Ehe mal unbedingt Kinder will, wird er dies erst tun, wenn sie schwanger ist.

"Da brauchst du dich also nicht wundern, wenn ich bald in anderen Umständen  bin." meint Tante zu ihrer Mutter.
Mama ist schon durch nichts mehr zu erschüttern.
Als der Zug in den Heidelberger Bahnhof einfährt, sehen sie Mutti schon am Bahnsteig stehen. Die Begrüßung ist für alle überwältigend!
Sie fallen sich glücklich in die Arme. Lachend und erzählend fahren sie zu den Hallers. Mama weiß was sich gehört. Sieh hat als "Mitbringsel" für Annette ein allerliebstes Kleidchen geschneidert und dieses auch noch bestickt. Für die " großen" Hallers bringt sie ein schönes Stück bayerisches Geselchtes mit. Ihre Mitbringsel ernten bei den Hallers großen Beifall.
Thea bekommt ein paar Hausschuhe. Nur ich bekomme nichts! Ich werde doch sowieso mitgenommen. Die Hallers sind ganz überrascht, als sie Mutter und Schwester von Thea sehen, besonders über die Mutter. Sie haben eine bäuerliche Bayerin  erwartet. Sie sind erstaunt, als ihnen eine große, gepflegte Dame im schlichtem, aber eleganten Reisekostüm entgegen tritt. Endlich nach der Begrüßung dürfen sie mich sehen.
Mutti nimmt mich auf den Arm, alle Augen sind auf mich gerichtet.
Doch keine großen, fragenden Kulleraugen schauen ihnen entgegen, sondern einfach graue Äuglein, die im Licht zwinkern, weil die Helligkeit blendet.
Mama ist überrascht, dass sie überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihrer Tochter Thea feststellen kann. Aber lieb ist das Kind mit seinen gelbroten Haarflaum trotzdem. Ja, natürlich mag sie mich auch so. Doch meine Kinder liebende Tante und Taufpatin hat mich sofort in ihr Herz geschlossen. Sie hofft, dass sie selbst bald ihr eigenes Baby haben wird und .heiraten kann.
So ist das Leben nun mal. Hier freuen sich zwei Menschen schon vorher auf ein Kind. Auf mich hat  niemand gewartet und niemand hat sich gefreut!
Mein Kommen war für alle nur mit Belastung und Ärger verbunden!

Also, nun ist die Vorstellungszeremonie auch geschafft! Ich atme auf!
Mutti legt mich mit einem "Husch, ins Körbchen" (Ja, Mutti spricht jetzt hochdeutsch) zurück und ich kann mit Ruhe weiter schlafen.
Die Hallers und die Lentinger verbringen einen angeregten Abend. Morgen wollen sie also mit mir im Gepäck  zurück reisen. Doch die Hallers entscheiden anders.
"Wenn Sie schon mal hier sind, dann müssen Sie Heidelberg, diese wunderschöne Stadt, mit all ihren Sehenswürdigkeiten auch besichtigen. Thea bekommt morgen frei. Ichversorge die Kinder." meint Frau Haller.
Über diesen Vorschlag sind alle erfreut. Am nächsten Morgen sind die drei Lentinger bald nach dem Frühstück unterwegs. Heidelberg ist wirklich sehr schön. Es heißt nicht umsonst, "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren."
Bevor sie jedoch heimkehren, besuchen sie noch das berühmte "Heidelberger Fass" und gönnen sich einen Schoppen Wein.
Bei der Familie Haller wird der Rest des Abends wieder in heiterer Atmosphäre verbracht. Man bespricht auch noch einige anstehende Sachen. Morgen werde ich also nach Lenting mitgenommen. Ich darf  den modernen Korbkinderwagen, den man mit ein paar Griffen auch in einen Sportwagen umwandeln kann,  behalten, außerdem erhalte ich  auch noch  Jäckchen, Strampler, Ausfahrgarnituren, Sachen, aus denen Annettchen bereits heraus gewachsen ist.

In Zukunft bekommt Thea ein Mal im Monat ein langes Wochenende frei, damit sie mich besuchen  und Zeit mit mir verbringen kann.
Alles ist einfach in bester Ordnung! Es herrscht Friede, Freude, Eierkuchen!

 
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