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Und sonst

Mia die Feder > Nach'm Kriag

Und sonst?

Einige Männer aus dem Dorf sind wieder heimgekommen.
Von Papa weiß Mama  zunächst nichts. Er gilt als vermisst. Obwohl er sie so schlecht
behandelt hat, wünscht sie sich sehnlichst, dass er wieder kommt.
Doch dann eines Tages bringt Frau Bierl eine Karte vom Roten Kreuz. Da erfährt sie,
der Papa ist in Sibirien in Gefangenschaft.
Mama ist glücklich. Sie betet um sein Überleben und seine baldige Heimkehr.
Aber zum Träumen bleibt wenig Zeit, die Tage sind ausgelastet mit lauter Arbeit.
Wenn es möglich ist, wird das Radio "Volksempfänger"  eingeschaltet. Am Abend sitzen
die Frauen manchmal beisammen, spielen Karten (Watten, 17 und 4 und 66),  Mühle,
Dame, Mensch ärgere dich nicht oder sie singen und Tante spielt Zither.
Dazu sind auch Nachbarinnen da, auch der Wuni Sepp kommt immer. Der Sepp ist ist
ein junger Mann. Aber er ist blind und ein Unterarm fehlt ihm. Er war mit anderen
halbwüchsigen Jugendlichen unterwegs. Ja, da finden sie eine Granate. Diese explodiert
in seinen Händen. Dabei verliert der Sepp das Augenlicht und den Unterarm.
Im Blindenheim hat er das Besen- und Bürstenbinden gelernt und auch die Blindenschrift.
So ist es ihm möglich, mit Extrakarten beim Kartenspielen mitzumachen.
Nach getaner Arbeit liebt es Mama, sich ein wenig auf das Sofa zu legen und ihre müden
Beine auszustrecken. Das Licht schaltet sie noch nicht ein, sondern es gefällt ihr, die
Schatten der züngelnden Flammen aus dem Herd an der Wand zu sehen. Dabei hängt sie
ihren Gedanken nach. Ich sitze auf einem Schemel zu ihren Füßen und streichle diese mit
meinen kleinen Händen.
Manchmal singt Mama auch. Es sind meist traurige Lieder; damit bringt sie mich zum
Weinen. Besonders wenn sie "Mamatschi schenk mir ein Pferdchen.."  singt, ist ihr
mein Tränenausbruch sicher.
Ich will dieses Lied einfach nicht hören! Aber trotzdem quält sie mich immer wieder
und fügt mir einen furchtbaren Schmerz zu.
Mama darf niemals sterben! Bitte lieber Gott. Dafür bete ich fleißig:
"Jesus Kindlein komm zu mir.."


Mama erzählt auch viele Märchen, die mir  alle gefallen.

Ich will immer ein braves Mädchen sein, weil am Ende bekommen die Guten nach vielen Prüfungen immer Recht und ihre Wünsche werden erfüllt. Das wird bei mir auch so sein.
So brav wie ich immer bin, da bekomme ich bestimmt mal einen Prinzen, mit dem ich ein
wunderschönes Leben führen.
Wenn es draußen regnet und ich meine Hausaufgabe gemacht habe, darf ich in die kleine Seitenkammer gehen. Da steht meine Puppenküche und meine Puppen warten schon
ungeduldig auf mich.
Hier habe ich mein kleines Reich.


Die Strampelpuppe

Die Weihnachtsfeste fallen zwar mager aus,
aber trotzdem versuchen die drei Frauen immer, Christkindl-Überraschungen für uns
Kinder zu besorgen.
Beate und ich bekommen fast immer die gleichen Geschenke. Wir haben sogar die
gleichen Bockschlitten. Diesmal steht bei ihr und auch bei mir ein weißes Puppenbett
aus Holz angefertigt, mit schönen kleinen Kissen und Zudecken. Beide haben wir
jeweils die "große Puppe" unserer Mutter bekommen, die diese schon als Kinder
erhalten haben. Diese Puppen haben echte Haare und können die Augen auf und zu
machen. Natürlich dürfen wir mit diesen Puppen nicht so oft spielen wie wir wollen.
Doch beim nächsten Weihnachtsfest ist es mal anders. Ich bekomme ein Geschenk
mehr und noch dazu etwas gaaanz Wunderschönes und gaaanz Besonderes.
Es ist ein rosa Wägelchen, darauf  liegt eine Babypüppchen mit rosa Mützchen, rosa
Jäckchen und rosa Strampelhose.  Wenn man das Wägelchen zieht, dann strampelt
die kleine Puppe.
Ich bin das glücklichste Kind der Welt.
Alle bewundern unverholen meine Strampelpuppe und beneiden mich!
Stolz ziehe das Wägelchen hin und her. Aber Mama mahnt schon wieder, "Gib obacht!"
"Mach nichts dreckig!" "Pass auf!" Beate steht die Enttäuschung in ihr Gesichtchen
geschrieben, weil sie Keine Strampelpuppe gekriegt hat. Sie kämpft mit den Tränen.
Aber ich bin großzügig; sie darf das Wägelchen auch ein paar Mal hin und her ziehen.
Dann schreitet Mama ein. "Des langt für heit", meint sie, nimmt das Püppchen an sich
und verräumt es.
Erst an meinem Geburtstag darf ich es wieder nehmen oder manchmal wenn Besuch
kommt und Mama oder Mutti zeigen wollen, was die Kinder für schöne Spielsachen
haben.
Doch dann ist auf einmal nichts mehr vom Püppchen zu sehen.
Weihnachten wird es mir das Christkind schon wieder bringen. Darauf  freue ich mich.
Unter dem Christbaum sind verschiedene Geschenke, aber mein Püppchen ist nicht
dabei. Ich bin enttäuscht und traurig.
Da meint Mama, das Christkind hätte das Püppchen nun einem anderen ganz armen
Kind gebracht. Überhaupt wäre ich schon zu groß für so ein Spielzeug, wo ich ja nun
ein Schulkind bin.
Ihre Argumente überzeugen mich nicht, aber es hilft nichts; ich muss diesen großen
Verlust verkraften.
Die Wahrheit ist, Mama hat das Püppchen gegen ein paar Kinderstiefel getauscht, weil
ich diese unbedingt brauche, denn  meine sind zu klein und kaputt und ich habe mir
damit schon Frostbeulen zugezogen.

 
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