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Das Jahr 45 und seine Ereignisse

Mia die Feder > g'lebt wird a

Das Jahr 1945 das Jahr der Ereignisse

Das Jahr 1945 beginnt in Ingolstadt und daher auch in Lenting ohne Fliegeralarm. Doch es riecht im ganzen deutschen Reich nach Untergang und Verderben. Viele deutschen Großstädte werden niedergebombt und liegen in Schutt und Asche. Mama legt immer alles bereit, um bei Fliegeralarm schnell in einen Luftschutzkeller zu kommen.
Mama hat ein schlechtes Gefühl; sie meint: "Da kommt bestimmt noch manches auf uns zu."

Nicht nur wegen den Angriffen befürchtet sie Schlimmes. Das tägliche Leben wird immer härter. Von Tante Resi aus Nürnberg kommt Post. Sie schreibt, dass sie die Feiertage bei ihrer Schwester Mary in Fürth verbracht hat. Dort wollte bis hl. Drei König bleiben. Das war ihre Rettung, denn  am 2. Januar wurde Nürnberg wieder bombardiert und schlimmer als zuvor.
Tante Resi wird zum dritten Mal ausgebombt! Jetzt hat sie nur noch die paar Kleidungs- und Wäschestücke, die sie mit zu ihrer Schwester nahm. Nein, nach Nürnberg geht sie nicht mehr zurück. Sie bleibt in Fürth. Die Stadt wurde bisher von den Bomben weitgehend verschont. Durch Vermittlung der Familie Westphal hat sie eine Wohnung in Aussicht.
Es wird schon wieder alles werden! Der Herrgott wird schon helfen! Da müssen die Lentinger schon glücklich sein!


Tante Kuni

Bei den Frauen in Lenting ist immer etwas los. Aus München kommt Tante Kuni , eine Nichte von Mama, mit ihren zwei Buben zu Besuch. Nicht nur Mama freut sich, sondern auch ich, denn ich mag Tante Kuni sehr. Für einige Tage vergessen wir die Reden über Krieg, Sieg und Niederlage.
Sie ist eine ganz Liebe. Sie hat eine dichte, rotbraune Mähne, ist groß, schlank, hat viel Holz vor der Hütte und lange Beine. Ihre Kleidung ist immer modisch, sie liebt hohe Schuhe, aber jetzt im Winter zieht sie natürlich "Russenstiefel" vor. Sie ist immer bester Laune und sie hat Goldplättchen in den Augen! Diese Wunderaugen machen sie für mich zu ganz etwas Besonderes!
Ihr Mann liebt sie sehr; er lässt ihr alles durchgehen. Er und die zwei Buben stehen ohne Einwand unter ihrer  gutmütigen Fuchtel. Sie arbeitet bei der Post. Dort macht sie Büros sauber. Sie schämt sich nicht, Büros zu putzen. Sie ist intelligent, aber sie hat keinen Beruf erlernt. Der Haushalt ist nicht so ihr Ding. Sie hat eine schöne Wohnung, sogar mit Wohnzimmer.

Mama meint, man kann zu ihr kommen, wann man will, man findet nie einen freien Stuhl. Tante Kuni lacht dazu nur. Sie ist eine leidenschaftliche Leserin von Liebesgeschichten. Wenn sie vom Dienst nach Hause kommt, stellt sie Kartoffel oder Nudeln für das Abendessen auf den Herd. Jetzt braucht sie erst mal etwas Erholung! Sie macht einen Polstersessel frei, in dem sie den darauf liegenden Pack Bügelwäsche nimmt und auf den Pack Kleidungsstücke auf dem anderen Sessel schmeißt, zündet sich eine Zigarette an, setzt sich, zieht die Beine hoch und gibt sich ganz dem Genuss der Liebesgeschichte hin.

Die Kartoffeln auf dem Küchenherd kochen, das Wasser verdunstet, die Kartoffeln brennen an, es raucht und stinkt in der ganzen Wohnung. Tante Kuni nimmt es nicht wahr. Zu dieser großen Liebe im Roman kann nicht mal der Gestank verbrannter Kartoffeln  durchdringen. Gott sei Dank kommt ihr Mann mit den Kindern nach hause, rettet was noch zu retten ist und kümmert sich um das Abendessen. Ihr Mann kennt sie; er macht ihr keine Vorwürfe, wenn sie auch nicht die perfekte Hausfrau ist. Nun ist sie hier. Sie fährt mir mit den Fingern durch mein feines, rotes Haar und nennt mich lachend: "Meine rote Federn".

Wenn sie da ist, brauche ich sonst nichts, nur sie! Sie mag mich, das merke ich, denn sie verbringt viel Zeit mit mir. Wenn ich groß bin, soll ich ihren Sohn Siegfried, der so alt ist wie ich, heiraten und ihre Schwiegertochter werden.
Leider vergeht die Zeit mit ihr viel zu schnell und sie fährt wieder nach München zurück.  Schade, dass sie nicht für immer bleiben kann. Aber ich habe doch auch noch hier meine Tante, die immer lieb zu mir ist.


1945 weiter…..

Hl. drei König ist vorbei. Es gibt einige male Fliegeralarm. Alle suchen schnell die Luftschutzkeller auf. Es sind Gott sei Dank alles Fehlalarme. Die Menschen können die Keller wieder verlassen. Sie finden auch ihr Eigentum wieder unbeschädigt vor.
Das Wochenende ist vorbei; der graue, kalte Morgen des 15.Januar zieht herauf. Mama heizt ein und schaut, dass die Wohnung warm wird. Die Kälte der Nacht vom eisigen Schlafzimmer steckt ihr noch in denKnochen. Furchtbar, dieses Eis an den Wänden.
Ich klettere aus meiner Kiste und komme zu Mama in die warme Küche. Ich freue mich auf heißen Kakao und ein Marmeladenbrot, dass Mama in "Soldaten" aufschneidet.
Hernach wäscht mich Mama, zieht mich warm an, dann mache ich mich auf den Weg in den Kindergarten. Bei diesem Wetter sind nicht so viele Kinder da. Mit Spielen vergehen die Stunden schnell, schon gehe ich zum Mittagessen heim. Da gibt es Fliegeralarm.
Ich laufe schnell, denn Sirenen flössen mir immer Angst ein, haste die Treppen hinauf, putze natürlich am Fußabstreifer meine Schuhe ab und betrete die Wohnung. Mama steht am Fenster und schaut Richtung Desching.
"Schau mal her" ich stelle mich schnell neben sie. "Da siehst du einen Christbaum" Wirklich, ein hell leuchtendes Zeichen senkt sich vom Himmel über Desching. "Um Gottes Willen, es wird ernst!"
Ich darf  mich nicht ausziehen. Mama packt mich, sowie die immer bereitstehenden Sachen und schleppt mich in den Keller. Dort sitzen schon mehrere, hauptsächlich Frauen und Kinder vom Haus und aus der Nachbarschaft. Alle hoffen auf baldige "Entwarnung."
Doch kaum sitzen wir, geht draußen die Hölle los. Man hört Bomben krachen. Die Erschütterung lässt die Mauern des Weichenrieder Haus beben. Die Frauen sind entsetzt, fangen an zu beten. Mama schaut, ob sie auch die Gasmasken dabei hat. Natürlich nicht. Kinder schreien und klammern sich an ihre Mütter.

Die Entwarnung kommt. Die Zeit  ist sehr unruhig. Immer wieder gibt es Fliegeralarm, oft in der Nacht.
Die Mütter und die Kinder liegen  jede Nacht fast voll angezogen in den Betten. Wenn die Alarmsirenen los heulen, reißt mich Mama heraus, zieht mir Mantel und Schuhe an, nimmt die bereitliegenden Brotscheiben und los geht es in den Weichenrieder Keller oder auf schnellsten Weg zum Gockelbauer.


Zwei deutsche Soldaten kommen

Beim Gockelbauer sind die drei  Frauen mit den Kindern wenigstens beisammen. Zu den eigenen haben sie noch die zwei Polenkinder in Obhut. Sporadisch halten sich zu dieser Zeit bei Mutti in der Wohnung beziehungsweise auf dem Gockelbauer Hof zwei deutsche Soldaten auf. Ich weiß nicht, warum sie da sind, aber sie sind militärisch in Lenting eingesetzt und tragen Uniform.
Ich weiß nur, dass sie der Meinung sind, dass der Krieg nicht mehr lange dauern kann. Sie hoffen, dass sie dann direkt heim können.
Wir nennen sie Onkel. Onkel Walter kommt aus Donauwörth und Onkel Gustl aus Saarbrücken. Die drei Frauen sind froh über ihre Anwesenheit. Irgendwie sind sie dann ruhiger, denn Muttis Mann (Onkel Hans), ist bei der Bahn immer südwestlich von München eingesetzt und nur wenig zuhause. So ist auch er froh, dass die Frauen nicht ganz verlassen sind.
Die Onkels sind sehr hilfsbereit. Wo sie nur können, setzen sie ihre Kraft ein. Ich  mag die beiden Onkel, weil sie immer lustig sind. Gerne halte  ich mich in ihrer Nähe auf.
Mit dem linken Daumen im Mund schaue ich bei allen Arbeiten zu. Onkel Walter merkt meine Dauemlutscherei. Er will mir das abgewöhnen.
"Du lutschst noch deinen ganzen Daumen weg" meint er. Da kommt er bei mir aber nicht durch .Ha, ich lutsche doch schon so lange an diesen Daumen und der schaut immer noch wie der andere aus. Er versucht es noch mit anderen schlimmen Hinweisen, u.a. meinen Daumen in Salz zu stecken. Aber alles ohne Erfolg.
Erst als er droht, dass er mir eine Blechhaube über den Daumen macht und mich dann auch gar nicht mehr mag, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Einen hässlichen Blechdaumen zu haben,  mit dem mich der Onkel Walter nicht mehr mag, das will ich nicht erleben.

Wirklich, von da an verzichte ich auf die Lutscherei und zwar für immer. Natürlich freue ich mich, weil ich vom Onkel auch noch gelobt werde.


Luftangriffe

Der Winter neigt sich dem Ende zu. Meinen sechsten Geburtstag im März verbringe ich im Keller.
Der Frühling naht, aber niemand nimmt dies so recht zur Kenntnis. Nur gut, die frostigen Tage sind vorbei.
Die Luftangriffe werden immer häufiger. Hinter dem Friedrich Haus, in dem Tante wohnt, ist der alte Steinbruch. Hier ist der Schießstand. Außerdem sind da einige Geschütze abgestellt. Tante hat immer Angst, dass die ein Ziel für Bombenangriffe sein könnten.

Aber zwischendurch muss sie doch nachschauen, ob alles in Ordnung ist und nichts brennt. Die Tante ist gerade mal schnell mit Beate und einem Polenkind im Kinderwagen zu ihrer Wohnung.
Kaum ist sie zuhause, als es schon wieder Alarm gibt. Sie nimmt sofort den Kinderwagen und Beate an der Hand und macht sich auf den Weg zum Gockelbauer. Am Gartentürl kommt ihr schon der Onkel Gustl in ziviler Kleidung ganz außer Atem entgegen, um ihr behilflich sein.
Ein Tiefflieger bemerkt die kleine Gruppe;  nimmt direkt Kurs auf sie.
Er kreist so tief über ihre Köpfe, dass Tante sogar den Piloten sitzen sieht und die Blicke, mit denen er sie fixiert. Schon fliegen die Granaten. Onkel Gustl nimmt Beate an der Hand, drängt sich mit ihr zwischen die Betonpfosten vom Hofeingang vom Dollerbauern. Gleichzeitig fordert er Tante mit Zurufen auf, das beim Hofeingang vom Binderbartl zu tun. Schnell kauert sie sich mit dem Kinderwagen  an der Hand zwischen die Betonpfeiler von dem Hofeingang.
Aber der Flieger gibt seine mörderische Absicht nicht auf. Er hat die zwei Eingänge im Visier und donnert immer wieder darauf los. Granaten fliegen und reißen die Straße auf. Nach langen bangen Minuten dreht der Flieger endlich ab.
Tante und Beate weinen hemmungslos. Auch das Kind im Wagen schreit. Sogar Onkel Gustl ist kreidebleich. Im Gockelbauer Keller fallen sie dann erschöpft auf das Stroh. Das ist nochmals gut gegangen!


Die Angriffe werden immer schlimmer.

Gleich am nächsten Tag gibt es wieder Alarm. Bisher sind es hauptsächlich Angriffe auf Ingolstadt, Oberhaunstadt und Umgebung; jetzt auch direkt auf Lenting.
Die Soldaten sind im Moment nicht da. Die Frauen rumpeln mit den Kindern in den Keller. Draußen ist die Hölle los. Alles scheint zu bersten.
Die Wände wackeln, gleich wird alles einstürzen. Die Kellertüre ist  einen Spalt offen; die "Fetzen" fliegen nur so. Ziegelsteine, Dachziegel, Bretter, alles fliegt durch die Luft.  Die Kinder klammern sich an die Frauen. Da schreit Mutti plötzlich auf.
"Wo ist mein Kind? Wo ist mein Ludwig?"
In der Aufregung hat sie die Polenkinder in den Keller geschleppt und ihren eigenen Buben vergessen.
Gerade in diesem Tumult taucht Onkel Walter an der Kellertür auf. Er hat es knapp geschafft, unverletzt hier her zu kommen. Als er Mutti so schreien hört und erfährt, dass der Kleine noch im Häuschen in seinem
Bettchen liegt, sprintet er trotz der fliegenden Dachziegel, Latten, Steine und was sonst noch alles durch die Luft gewirbelt wird,  ins Haus, wickelt den Ludwig in eine Decke und bringt ihm in den Keller. Onkel Walter hat sich dabei zwar eine Verletzung zugezogen, aber der Bub ist heil. Mutti ist fast am Durchdrehen.
Wie konnte sie vor lauter Polenkinder ihr eigenes vergessen?
Die Tage sind einfach schrecklich. Auch wenn es mal Entwarnung gibt und die Leute die Keller verlassen, will ich nicht heraus.
Ich habe furchtbar Angst.
Natürlich habe ich aus den Reden mitgekriegt, dass meine Tante und meine Beate nur ganz knapp den Tod entkommen sind.

Bei einem Angriff fallen einige Bomben direkt auf Lenting, auch ganz in der Nähe beim Wagnersimmer.
Es wird außerdem erzählt, die Heindl Frieda einen Fuß verloren. Sie habt es nicht ganz geschafft, in den Keller zu kommen. Die Frieda hat sich zwar schnell unter einem leeren Heuwagen gesetzt, aber das hat sie auch nicht vor diesem Unglück bewahrt.Mama muss mich richtig aus dem Keller zerren, ich will bleiben, lieber allein im Keller, aber nicht sterben!


Ende April Der Krieg ist verloren und…..

Inzwischen ist es Ende April 1945 geworden. Da geht plötzlich das Gerücht wie ein Lauffeuer durch das Dorf, der Krieg verloren; der Feind ist in Anmarsch! Der Krieg verloren? Die Lentinger wollen das oder dürfen noch nicht glauben.
Sie beginnen Panzersperren zu bauen. Eine Gruppe von Männern gräbt beim Bogner einen Graben quer über das Ende der Kriegsstraße. Dann wird das alles mit dicken Holzbalken verbarrikadiert. Doch einige Kriegsversehrte meinen, das würde überhaupt nichts helfen, die Panzer würden alles niederwalzen.
Da geben sie dieses Unterfangen auf. Aber die Autobahnbrücke wird noch gesprengt, damit die feindlichen Kriegsfahrzeuge nicht ins Dorf können.
Mama geht in die kleine Dachkammer, hebt ein Bodenbrett auf; darunter versteckt sie ihren "Schmuck". Es sind einige Kleinigkeiten, die für sie kleine Erinnerungsstücke sind und die nur einen geringen Wert haben. Ich glaube, das Eiserne Kreuz von Papa legt sie dazu. Was wohl nun auf uns zukommen wird?

 
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