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wias 48 weiter geht

Ria de Kloa

Das Jahr 1948 mit wichtigen Ereignissen

Das Jahr 1947 geht nach den in meinem ersten Buch geschilderten  Ereignissen eigentlich gut zu Ende.
Das Weihnachtsfest ist nicht so üppig, der Jahreswechsel ruhig; die Familie zufrieden. Der Winter dauert nicht so lange und es beginnt früh zu leinen (tauen) Papa wieder zuhause
Nach der Entlassung 1947 aus der russischen Kriegsgefangenschaft und seiner Heimkehr findet sich Papa wieder gut zurecht.
Er genießt das wieder gewonnene Leben in der Heimat, auch wenn dieses bescheiden verläuft. Er muss zwar einige Male in die Gemeinde Kanzlei, die von zwei Kriegsversehrten, dem Modauer Karl und dem Herrn Meier, verwaltet wird.
Der Papa nimmt mich immer mit. Da höre ich, wie sie ihm Fragen stellen. Wo er genau im Krieg genau war, wo in der Gefangenschaft, was er noch alles weiß, welche Männer gefallen, welche noch in der Gefangenschaft sind. Papa gibt zwar gewissenhaft Auskunft, aber ich merke, dass er nicht gerne über diese Zeiten spricht.
So weit es möglich ist, wird er von Mama verwöhnt. Er ist der Herr im Haus; er verdient das Geld oder bekommt im Winter Stempelgeld. Das Bett im Zimmer steht natürlich nur für ihn bereit. Mama schläft auf dem Sofa in dem kleinen Flur. Wenn es schneit, treibt der Wind, wie auch im Dachkammerl bei der Mutti, den Schnee durch die schlecht schließende Türe bis vor das Bett. Beim Aufstehen, stehen wir barfuss im Schnee.
Wenn Besuch im Dachkammerl übernachtet, schlafen Beate und ich  „zuhause. Für Beate bedeutet dies, dass sie die Nächte in der nassen, kalten und finsteren Wohnung mit den eisigen Wänden bei ihrer Mutti verbringen muss. Ich schlafe zusammen mit Mama auf dem schmalen Sofa im Flur. Ich liege an der Wand; wenn Mama sich umdreht, muss ich das auch tun, denn sonst  reicht der Platz überhaupt nicht. .Papa hat wieder seine schlanke Figur. Das Wasser ist weg. Er hat auch schon einen schweren Malarieanfall hinter sich.
Jetzt im Winter hat Papa keine Arbeit, er geht zum „Stempeln“ Dazu muss er jeden Montag nach Kösching um sein Stempelgeld abzuholen. Jetzt hat er ein altes Herrenfahrrad. Damit kommt er überall gut hin, auch nach Kösching zur „Stempelstelle“. Das ist sehr wichtig, denn….
wer nicht kommt, kriegt auch nichts! Ohne Stempel kein Geld!


Und sonst?

Mein kleiner Bruder Ludwig hat immer noch seinen Gschwoilltlkopf Nach wie vor hat er keine Lust, viel zu reden. Den Kindergarten besucht er jedoch gerne. Robert ist seit dem Herbst 47 in der Schule in der ersten Klasse. Er ist ein blasser, nervöser Kerl, der manchmal sehr jähzornig ist. Aber gegen uns zwei große Mädchen ist er immer auf verlorenem Posten.
Beate ist in der zweiten Klasse. Ich, die Glückliche, bin in der dritten und gehöre nun 1948 zu den Kommunionkindern.


Das Hochwasser


Der Winter neigt sich dem Ende zu, das Wetter wird milder, es taut und das eigentlich schnell. Dadurch kommt es, wie fast jedes Jahr, zu Hochwasser. Bei den Meiers, wo die Tante wohnt, stürzt das Wasser die Bergstraße vom Gstockets her, vorbei beim Pöschel, Birkner und Nerb,  herunter. Der schmale Lentinger Manterinbach tritt schon draußen im Seebach über seine Ufer und füllt die breite Senke fast hin bis zur Kriegsstraße aus.
Auch in der Schwemme, wo sonst an Samstagen die Pferde gewaschen und gestriegelt werden, breitet sich der Bach  ins Uferlose aus. Die Gerners können das Haus nicht mehr verlassen und in einem Sautrog, der als Boot dient, wird die Frau Gerner an Land ins Trockene gebracht.
Ich in meiner Neugierde, oh, das ist das falsche Wort, denn neugierig bin ich nicht, sondern seh- und wissbegierig, laufe direkt am Rande des Hochwassers entlang.  In meinen fast neuen Schnürstiefeln, deren Kauf sich Mama direkt vom Mund abgespart hat, stapfe ich durch die sumpfige Wiese und achte auf nichts. Mit vollkommen verdreckten Schuhen, an denen jetzt auch noch ein Absatz fehlt, komme ich heim. Mama ist entsetzt. Sie fängt wegen dem fehlenden Absatz das  Schimpfen an. Mama versteht nicht, dass ich einfach genau sehen musste, ob vielleicht auch ein ganzes Ochsengespann oder eine Frau mit einer Kirm auf den Rücken vorbei schwimmt, wie es Mamas Mutter  früher mal bei einem Donauhochwasser gesehen hat.
Für mich ist das Hochwasser auch interessant, weil wo jetzt der Bach läuft, soll es in ganz, ganz früheren Zeiten ein breiter Fluss gewesen sein, der die ganze Breite des Tales ausfüllte. Dieser Fluss wurde von Schiffern mit Booten befahren. Wo das heutige Dorf ist, soll eine Anlegestelle gewesen sein, daher kommt der Name des Dorfes, der damals „Landing“ lautete und später zu Lenting wurde. Oben auf der Höhe, wo heute die Kirche steht, soll eine Kapelle errichtet worden sein, die dem Hl. Nikolaus, dem Heiligen der Schiffer, geweiht wurde und der auch heute noch der Schutzheilige der Pfarrei ist.
Beim Anblick des Hochwassers kann ich mir genau vorstellen, wie das damals ausgesehen hat.
Auch ein Hochwasser kann also trotz dreckiger Schuhe, geistige Anregung bringen.

 
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